Seitenblick
Die Arp-Schnitger-Orgel der Ludgerikirche in
Norden ist das zweitgrößte erhaltene Instrument
des berühmten Hamburger Orgelbauers und noch
heute die größte Orgel in Ostfriesland. Dazu kommt
die einzigartige komplexe Klangabstrahlung in
verschiedene Räume der Kirche, die jede
Aufnahme zu einer besonderen Herausforderung
macht. Auf ihrer inzwischen dritten SACD
präsentieren Agnes Luchterhandt und Thiemo
Janssen „ihr“ Instrument mit einer rasant
repräsentativen Programmfolge sprichwörtlich von
allen „schönsten“ Seiten und werden dabei trefflich
unterstützt durch die hervorragend raumbezogene
2+2+2-Wiedergabe, die das Instrument und den
Raum in echten drei Dimensionen erlebbar macht.
Großmeister
Was für eine geniale Lösung: Hauptwerk,
Brustwerk und Rückpositiv strahlen diagonal in die
Vierung, das Pedal steht davon getrennt westlich
des Chorbogens, das Oberwerk komplett im
Chorraum. Die ohnehin schon vielschichtig
Klangabstrahlung einer großen norddeutschen
Barockorgel wird hier auf die Spitze getrieben und
verursacht eine fast schon mystische, einzigartige
Klangentfaltung in der komplexen Kirchenakustik.
Gassenhauer
Mozarts berühmte Variationen über „Ah, vous
dirais-je, maman“ sorgen dann für eine
Überraschung: Agnes Luchterhandt führt anhand
der zauberhaften Variationen durch die
charakteristischen Register – eine Orgelführung der
besonderen Art und eine willkommen Erweiterung
des klassischen Repertoires, das sich ausnehmend
gut in Norden darstellen lässt.
Einspringer
Aber die erste Überraschung ist gleich zu Beginn
der SACD zu entdecken: „Brande champanje“, ein
Tanzlied aus dem 16. Jahrhundert, wird hier in
einer Fassung für zwei Spieler mit Perkussion
ausgeführt. Solche Effekte waren in der Barockzeit
sehr beliebt - möglicherweise war an der Norder
Orgel sogar ein eigener Trommelzug vorhanden.
(Calcant und Trommelzug haben nichts miteinander
zu tun.)