Powerfrau
„Kinder, Küche, Kirche“ war nicht das Motto von Clara
Schumann, der bedeutendsten Pianistin des 19.
Jahrhunderts. Der einzigartigen Frau, deren 100. Todestag
1996 gedacht wurde, ist diese Einspielung gewidmet: Fast
durchweg Ersteinspielungen zeichnen ein exaktes und
ungemein erhellendes Bild ihrer kompositorischen
Kompetenz und der künstlerischen Atmosphäre im engsten
Kreis ihrer Familie.
Ruhm postum
Ihr äußerst enges, durch den Briefwechsel leicht zu
erhellendes Verhältnis zu Johannes Brahms, aber auch ihre
problematische Beziehung zu ihrem Mann nach dessen
Selbstmordversuch, ihr Durchsetzungsvermögen - all dies
lassen Clara Schumann zu einer Figur werden, die so gar
nicht in das Schema der „höheren Tochter“ passt. Clara
Schumann „erlebte“ erst in den vergangenen 10 Jahren -
natürlich auch im Zuge der allgemeinen Emanzipationsbewegung
- als Komponistin ihre Ehrenrettung.
Zirkus? Nein danke!
Clara Schumanns Verdienste um die Klaviermusik reduzieren
sich nicht auf zahllose bedeutende Klavierabende, die sie
weltweit gab. Vielmehr trug sie wesentlich dazu bei, das
Klavierspiel, das bis dato zwischen netter Unterhaltung zum
Tee und zirzensisch akrobatischem Geklingel pendelte, in ein
künstlerisch ernsthaftes Terrain zu ziehen: Sie veränderte
das Bewusstsein der musikalischen Welt, indem sie dem
öffentlichen Klavierspiel eine bis dahin ungeahnte Sensibilität
und Tiefe gab.
Stille Größe
Mit dieser Einspielung wird - als nicht zu unterschätzender
Nebeneffekt - dem Halbbruder Clara Schumanns, Woldemar
Bargiel, das zuteil, was Clara in den letzten Jahren erfuhr: die
Korrektur seiner lange unterschätzten künstlerischen
Reputation. Der introvertierte Bargiel, der sich über Jahre als
Privatmusiklehrer in Berlin durchschlagen musste, erhielt
1859 eine Anstellung als Klavier- und Musiktheorielehrer am
Kölner Konservatorium, bevor er 1865 Direktor des
Musikvereins Rotterdam wurde. 1874 schließlich avancierte
der inzwischen renommierte Komponist zum Lehrer an der
ehrwürdigen Berliner Musikhochschule.
Slawisches Temperament
Die aus Saarbrücken stammende Pianistin Ira Maria
Witoschynskyj, deren familiäre Wurzeln in die Ukraine
reichen, studierte in Köln bei Tiny Wirtz und Pavel Gililov
sowie in Amsterdam bei Matthijs Verschoor. Nach frühen
Wettbewerbserfolgen und weiterführenden Meisterkursen (u.
a. bei Leonard Hokanson) machte sie viele Rundfunkaufnahmen
(SDR, SWF, WDR, HR, SR) und trat auf
Konzertpodien Europas und Asiens in Erscheinung, wobei
sie ihre Hörer in gleicher Weise durch Temperament wie
Sensibilität bezauberte