eklatant
Das ist Musik von brachialer Urgewalt: Der
suggestiven Penetranz der drei Stücke, die
Gewandhauskonzertmeister Andreas Seidel und der
immer wieder entdeckungsfreudige Steffen
Schleiermacher auf dieser CD zusammengetragen
haben, kann man sich kaum entziehen. Galina
Ustwolskajas Kompositionen entziehen sich der
Analyse, des genussreichen Hörens und in gewisser
Weise auch der Interpretation. Trotzdem oder gerade
deshalb lösen sie eine Faszination aus, die staunen
lässt.
extrem
Ustwolskaja hat dieses Staunen Zeit ihres Lebens
gepflegt. Keine Interviews, keine Fotos, nur sehr
wenige Selbstzeugnisse und vor allem in späten
Jahren eine religiöse Verbrämung Ihres Schaffens
erzeugten eine Aura des Unnahbaren und
Rätselhaften. Dabei ist die Musik auf den ersten Blick
wenig kunstvoll: Entweder sehr laut oder sehr leise,
entweder sehr hoch oder sehr tief, keinerlei
rhythmische Raffinesse, von Kontrapunkt ganz zu
schweigen: Nirgends findet sich ein Ansatz zu
Deutung und Analyse.
Extrakt
Das einfache Motiv, mit dem die Violinsonate, und
damit auch diese CD, eröffnet, ist exemplarisch dafür:
Die fünf Töne (As – Es – As – As – Es) kann man
kaum als Thema bezeichnen, doch mit über 80
Wiederholungen im Laufe des einsätzigen Werkes
dominiert es eindeutig die ansonsten in dissonanten
Vierteln marschierende Struktur. Und wenn dann am
Ende nach – für Ustwolskajas Verhältnisse
abwechslungsreichen – gut zwanzig Minuten alles in
sich zusammenfällt und das Anfangsmotiv nur noch
als zaghaftes Klopfen übrig bleibt: Ist das das Ende
aller Musik?
Extase
Als „Dreschflegelkomponistin“ wurde Ustwolskaja
wegen ihrer kompromisslosen Tonsprache
gelegentlich tituliert. Diesem Titel macht die 5.
Klaviersonate, die Steffen Schleiermacher zwischen
die Violinsonate und das abschließende Duett
platziert, alle Ehre. Das sechsfache Fortissimo, das
neben den abenteuerlichen Tontrauben schon im
Druckbild ins Auge fällt, kommt unter Schleiermachers
Händen mit voller Wucht beim Hörer an. Und auch
Andreas Seidel schont weder sich noch sein
Instrument, um Ustwolskajas totalitäre Klänge ins
Publikum zu schleudern. Ein Musikerlebnis, das man
so schnell nicht vergessen wird!