He, Zigeuner!
Zeit seines Lebens hat Johannes Brahms Quartette
für Gesangsstimmen komponiert. Mit den
„Zigeunerliedern“ war er dabei besonders erfolgreich.
Warum sich diese volkstümlich-mitreißenden
Miniaturen bis heute größter Beliebtheit erfreuen, wird
in der brandaktuellen Aufnahme mit dem
Norddeutschen Figuralchor unter der Leitung von Jörg
Straube schnell klar: Feurige Rhythmen, eingängige
Melodien und bittersüße Harmonik erzählen eine
vielfarbige Geschichte, die kunstvoll mit der
zeitgenössischen Vorstellung vom wild-romantischen
Zigeunerleben spielt.
Neckerei
Für das ungarische Kolorit sorgt dabei nicht zuletzt
die feinfühlige Klavierbegleitung von Markus Bellheim:
Man höre nur einmal die Cymbalklänge in „Mond
verhüllt sein Angesicht“! Und wie in „Hochgetürmte
Rimaflut“ Sehnsucht und Leidenschaft vertont wird, ist
einfach großartig! Brahms konnte aus einem großen
Fundus an Chorerfahrung schöpfen: In jungen Jahren
war er schließlich auch als Chorleiter tätig, zunächst
am lippischen Fürstenhof, später dann in Wien. Die
„Neckerei“ aus dieser Zeit zeigt seine kompositorische
Meisterschaft: Im aufwändig verschränkten Kanon der
Stimmen wird das Katz-und-Maus-Spiel zwischen
Jungs und Mädels aufs vergnüglichste ohrenfällig.
Nächtens
Überhaupt spielt das Aufeinandertreffen der
Geschlechter eine große Rolle. Und dass Brahms
auch vor der Vertonung äußerst anzüglicher Texte
nicht zurückschreckte, trug ihm einen Rüffel seiner
Freundin Elisabeth von Herzogenberg ein. Da ist von
„Roten Rosenknospen“ die Rede, und wenn gleich im
nächsten Lied die Neider als „Brennnesseln“
erscheinen, darf sich die erotische Fantasie ihren Teil
denken…
Horch!
Bei aller Popularität und vermeintlichen
Volkstümlichkeit sind die Lieder doch höchst
anspruchsvoll zu singen. Jörg Straube hat seinen
Norddeutschen Figuralchor perfekt vorbereitet: Vom
großen Pathos in „An die Heimat“ bis zum quirligen
„Röslein dreie in der Reihe“ steht den Sängerinnen
und Sängern eine enorme Ausdruckspalette zur
Verfügung, die in bester SACD-Technik ein
Hörvergnügen von besonderem Reiz bietet.