Doppelspitze
Carl Maria von Weber und Heinrich Baermann: Die
äußerst fruchtbare Künstlerfreundschaft ist legendär.
Schon das Concertino, das Weber dem ersten
Klarinettisten der Münchner Hofkapelle auf den Leib
schrieb, war ein sensationeller Erfolg. Mit den beiden
bald folgenden Klarinettenkonzerten gingen Weber
und Baermann gemeinsam auf ausgedehnte
Konzertreise; dass der finger- und zungenfertige
Baermann das virtuose Es-Dur-Konzert der
geheimnisvolleren Schwester in f-Moll oft vorzog, mag
der „romantische“ Weber verschmerzt haben – es tat
der innigen Beziehung jedenfalls keinen Abbruch.
Paul Meyer spürt dieser Freundschaft nach –
gemeinsam mit dem Orchestre de chambre de
Lausanne, das einmal mehr unter Beweis stellt, dass
deutsche Romantik auch international in besten
Händen sein kann.
Finanzkrise
Nur wenige Tage benötigte Weber für die
Komposition des Concertinos. Die Möglichkeiten der
Münchner Hofkapelle, die auch nach ihrem Umzug
aus Mannheim wohl zum Besten gehörte, was an
Orchestern in Europa zu finden war, nutzte der
Komponist voll aus. Das einsätzige Werk hat die Form
einer bravourösen Opernszene, die dem Klarinettisten
allerhand Raum zum Brillieren lässt. Schwer zu
sagen, ob die Begeisterung beim Solisten, dem
Publikum oder den Orchestermusikern größer war –
etliche Aufträge für Konzerte waren jedenfalls die
Folge, die den finanziell bedrängten Weber in eine
deutlich komfortablere Lage brachten.
Roter Teppich
In enger Abstimmung mit Baermann machte sich
Weber an die Komposition zweier
Klarinettenkonzerte. Diese hatte der bayerische König
höchstselbst in Auftrag gegeben – ein weiterer Beleg
für die ganz außerordentliche Wertschätzung, die
Weber in München zuteil wurde. Und schon der
Beginn des f-Moll-Konzerts lässt den Hype verstehen:
in geheimnisvollem Pianissimo präsentieren Celli und
Bässe ein Thema voll freischützromantischen
Zaubers, das jäh von einem Fortissimoschlag des
gesamten Orchesters unterbrochen wird. Das
anschließende Tutti bereitet dem Solisten ein
großartiges Entrée für die ganze Palette an feinsten
Klangfarben und individuellen Ausdrucksmöglichkeiten.
Zauberstab
Und Paul Meyer weiß diese Möglichkeiten zu nutzen:
Dass dem gefragten Solisten und Dirigenten die
höchst anspruchsvollen technischen Anforderungen,
wie zum Beispiel der gefürchtete Solo-Anfang des Es-
Dur –Konzerts über drei Oktaven, keinerlei Probleme
bereiten, versteht sich von selbst. Wie er aber
gemeinsam mit den Lausannern über das Virtuose
hinaus eine märchenhafte Erzählung zu gestalten
weiß, ist sensationell. In hochauflösender SACDTechnik
eingefangen, überzeugt diese Neuaufnahme
im allen Belangen, und besonders in der
dreidimensionalen 2+2+2-Wiedergabe entfaltet sich
ein emotionaler Sog, der niemanden unberührt lässt.