Berufung
Domenico Scarlatti fand seine Bestimmung erst
mit über 40 Jahren. In jungen Jahren stand er als
Komponist im Schatten seines berühmten
Vaters, dann brachte die Begegnung mit der
Infantin Maria Barbara die Wende. Er wurde
Klavierlehrer der talentierten portugiesischen
Prinzessin und folgte seiner Schülerin nach ihrer
Heirat an den spanischen Hof. Hier entstanden in
relativer Abgeschiedenheit jene über 550
Cembalosonaten, die heute Scarlattis Weltruhm
ausmachen. Tatjana Vorobjova hat aus diesem
umfangreichen Fundus eine sehr persönliche
Sammlung zusammengestellt, die die kantable
Seite des Tasten-Virtuosen in den Vordergrund
stellt.
Geheimfach
Auf den ersten Blick folgen Scarlattis Sonaten
meist einer klaren zweiteiligen Form. Was sich
dann aber zeigt, steckt voller Überraschungen.
Da meint man Kastagnetten zu hören,
Gitarrenklänge verbreiten plötzlich spanisches
Flair, eine sehnsuchtsvolle Arie wird
angestimmt… Maria Barbara muss diese
Übungsstücke genossen haben: Wie raffiniert
Scarlatti doch immer wieder die pädagogische
Absicht in großartiger Musik versteckt!
Gepäckträger
Auch die harmonischen Grenzen werden bis weit
über das damals Übliche hinaus gedehnt. Die
Sonate K 132 etwa ist geprägt von ständigen
Wechseln von Dur nach Moll, übermäßige
Akkorde und Dissonanzen, die der spanischen
Gitarrenmusik entlehnt sind, führen in völlig neue
Klangwelten. Interessant, wie sehr die Prinzessin
und spätere Königin ihren Klavierlehrer schätzte:
Auf jeder ihrer zahlreichen Reisen musste
Scarlatti dabei sein, Cembalotransport auf
Mauleseln inklusive…
Talentscout
Aber sie muss auch außerordentlich begabt
gewesen sein. Scarlattis Sonaten sind oft
hochvirtuos oder warten mit Schwierigkeiten auf,
die sich erst beim Spielen zeigen. Für Tatjana
Vorobjova ist dies selbstredend kein Problem.
Und wie die lettische Cembalistin ihr Instrument
mit Scarlattis Musik zum Singen bringt, ist
faszinierend. In fein abgestimmter Super-Audio-
CD-Technik produziert, belohnt diese
Neuerscheinung ein genaues Hinhören mit einer
Flut von klanglichen Impressionen.