Richtungswechsel
Die Reformation vor 500 Jahren brachte auch einen
Aufbruch in der geistlichen Musik mit sich. Die
kraftvollen Kirchenlieder Luthers sind bis heute
fester Bestandteil des evangelischen Gottesdienstes.
Dass Luther gerne auf Gesänge der
„alten“ Kirche zurückgriff, zeigt das fruchtbare
Nebeneinander von „überlieferter“ und „moderner“
Musik. Eine besondere Form dieses Neben- oder
besser: Miteinanders bilden die evangelischen
Choralmessen, die Hermann Max mit seiner
Rheinischen Kantorei vor über dreißig Jahren auf
Vinyl eingespielt hat. Die Tonmeister von MDG
verwendeten schon damals modernste Digitaltechnik
zur Aufzeichnung, so dass diese
dankenswerte Neuedition nun bruchlos auf CD
übertragen werden kann.
Tonwechsel
Jeder dieser Choralmessen liegt ein
protestantisches Kirchenlied zu Grunde. Auf die
Melodie von „Christ lag in Todesbanden“, „Christ,
unser Herr, zum Jordan kam“ und „Nun komm, der
Heiden Heiland“ wird jeweils der (lateinische) Text
der (evangelischen) Messe aus Kyrie und Gloria
gesungen, das Ganze im strengen kontrapunktischen
Stil der niederländischen Vokalpolyphonie:
Enger kann man alte und neue Lehre,
alte und neue Musizierpraxis nicht verzahnen!
Ortswechsel
Den drei Choralmessen von Christoph Bernhard,
Friedrich Wilhelm Zachow und Johann Caspar
Ferdinand Fischer stellt Hermann Max drei in ihrer
Zeit hochmoderne „Geistliche Konzerte“ von
Johann Hermann Schein über dieselben Lieder
gegenüber. Das virtuose Mit- und Gegeneinander
der Vokal- und Instrumentalstimmen ist aus Italien
importiert und dort zu Scheins Zeit der letzte
Schrei.
Blickwechsel
Dabei wagt sich Schein mit der komponierten
Textausdeutung auf ein Terrain, das eigentlich den
Theologen vorbehalten ist - in der alten Kirche
jedenfalls. Aber auch das ist Reformation: Das
„Priestertum aller Gläubigen“ kann natürlich nicht
vor der Musik halt machen. Und so erweitert diese
verdienstvolle Neuauflage den Blick auf die protestantische
Kirchenmusik um eine willkommene, viel
zu selten eingenommene Perspektive.