Undercover
Es war eine Sensation, als Conlon Nancarrow erstmals in den 1980er Jahren in den europäischen Musikzentren auftauchte. Jahrzehntelang hatte er in mexikanischer Abgeschiedenheit gelebt und unbeachtet von der Öffentlichkeit aus seiner Faszination für Player Pianos ein einzigartiges Oeuvre geschaffen. Ligeti nennt es treffend „Das Wohltemperierte Klavier des 20. Jahrhunderts“ Diese Maßstab setzende Gesamteinspielung auf Instrumenten aus der Sammlung des Nancarrow-Vertrauten Jürgen Höcker vereint nun erstmals alle 50 Studys in einer attraktiven Box.
Grenzbereiche
Mit zwingender Konsequenz konzentriert sich Nancarrow in seinem Werk auf die Zeitstruktur der Töne. Seine oftmals an mathematischen Zahlenverhältnissen ausgerichteten hochkomplexen polyphonen Verschränkungen klingen faszinierend, sind aber für Pianisten aus Fleisch und Blut nicht mehr ausführbar. Das selbstspielende Player Piano bot dem Komponisten Jahrzehnte vor dem Computerzeitalter den ersehnten Ausweg.
Rauschmittel
In mühevoller Handarbeit stanzte Nancarrow Loch um Loch in die langen Papierrollen, die das Player Piano antreiben. Für nur fünf Minuten Musik brauchte er oft Monate. Dabei werden die Grenzen der Hör- Erfahrung bis aufs Äußerste erweitert: Bis zu 200 Anschläge pro Sekunde sorgen für einen Klangrausch, den auch das menschliche Ohr nicht mehr in Einzeltöne auflösen kann.
Doppelspiel
Jürgen Höcker war sofort fasziniert von der völlig neuartigen Musik. Er hat Nancarrow in Mexiko aufgespürt und durfte seine einmaligen Rollen fotokopieren und nachstanzen. Natürlich befanden sich kurz danach in seiner Sammlung selbstspielender Musikinstrumente zwei hervorragend restaurierte Flügel mit Ampico- Spielvorrichtung, die sich heute sogar aufwändig synchronisieren lassen und so auch Nancarrows Musik für zwei Player Pianos erstmals in herausragender Klangqualität wiedergeben. So wie wir hat sie Nancarrow selber nie hören können…