Genießerisch
„Klingendes Kochbuch, tönende Gerichte und originelle
Musik“ (Piano News). Stefan Irmer serviert den siebten
Gang seines kulinarischen Menüs mit sämtlichen
Klavierwerken von Gioacchino Rossini. Die neueste
Aufnahme enthält „Tonleitern und Probierstücke“ aus der
Reihe der „Alterssünden“ des berühmten Tonsetzers, der
seine letzten Lebensjahre in Paris verbrachte. Zum eigenen
Vergnügen verfasste er diese ironischen, kleinen Salonkompositionen,
die auch seinen heutigen Zuhörern
amüsierte Unterhaltung garantieren, zumal wenn sie von
einem Ausnahme-Pianisten mit so großer Brillanz zubereitet
werden.
Kurzatmig
Die beiden Pariser Vororte Passy und Courbevoie liegen nur
fünf Kilometer voneinander entfernt. Diese Distanz zu
überwinden, bereitet einem Spaziergänger kein Problem.
Rossini macht aus dieser „Petite Promenade“ einen
rasanten Dauerlauf, der immer wieder durch Generalpausen
unterbrochen wird. Kurz vor dem Schlussspurt gibt die
Musik auf... Rossini selbst liefert die Erklärung: Er habe
doch tatsächlich den Ton E vergessen! Schreibt es, lässt die
viertaktige Phrase dieses Stücks in E-Dur und e-Moll noch
einmal erklingen, um sodann den „Spaziergang“ nach einer
weiteren Schlusssteigerung ordnungsgemäß enden zu
lassen.
Geläufig
Leiter rauf, Leiter runter: Rossini lässt auch im hohen Alter
die zwölf Töne in der Chromatik munter laufen und landet
elegant in immer neuen Tonarten seines chromatischen
„Drehwurms“. - Seine ewige Liebe zu Peking charakterisiert
eine fernöstliche Ganztonleiter, die – übrigens eine
Gesangsstimme – permanent wiederholt. Eine faszinierende
Idee, die wohl möglich einen weiten Schatten voraus wirft
auf z.B. die 840-fache Wiederholung der „Vexations“ von
Erik Satie und andere minimalistische Konzepte in der
Musik des 20. Jahrhunderts.
Einzigartig
Eine Sonderstellung haben die „Spécimen“-Kompositionen
in denen Rossini Bezüge zur alten und aktuellen Musik
aufzeigt und – besonders spannend – auch eine Vorstellung
der Musik der Zukunft charakterisiert: eine aus
musikalischen Extremen entstehende Dramatik, nicht enden
wollende virtuose Klangkaskaden, weit gespannte
harmonische Entwicklungen und eine Melodie, die nicht viel
mit dem „aus dem Herzen kommenden italienischen
Gesang“ zu tun hat. Auf der anderen Seite stellt diese
Komposition mit ihren ungeheuren klanglichen,
dramatischen und räumlichen Wirkungen tatsächlich ein
Stück visionärer „Zukunftsmusik“ dar, das es auch bei
Rossini in dieser Form noch nicht gegeben hat.