Meilensteine
Wer die Oboe als Solo-Instrument in den Mittelpunkt einer
CD-Einspielung stellt, der braucht einen exzellenten
Interpreten. MDG ist dieses Kunststück gelungen: Die in
Deutschland lebende Koreanerin Yeon-Hee Kwak
präsentiert ihr Instrument bei der Einspielung von vier ganz
unterschiedlichen Stücken aus dem 18. und 20. Jahrhundert
so perfekt, dass die 63:29 Minuten dieser Aufnahme wie im
Fluge vergehen.
Urgesteine
Johann Sebastian und Carl Philipp Emanuel Bach haben
maßstabsetzende Solosonaten für die Flöte geschaffen, die
sich glücklicherweise wegen des identischen Tonumfangs
1:1 auf die Oboe übertragen lassen. Dabei scheinen die
barocke Klarheit und formale Strenge des großen
Thomaskantors wie ein ruhender Gegenpol zu des Sohnes
emotional aufgeheiztem Opus. Klar, dass alle anderen
Instrumente neidvoll in die Noten schauen...
Edelstein
Astor Piazzolla hat den Tango im Blut. Kein Wunder also,
dass der Argentinier seine Komposition so kunstvoll mit
Rhythmen aus seiner Heimat würzt, dass daraus sogar beim
Solo-Instrument eine kunstvolle Mehrstimmigkeit erwächst.
Piazzollas Musik hat sich schon immer im Spannungsfeld
von traditionellem Tango und klassischer Musik bewegt.
Seine „Etudes“ verkörpern diesen Spagat ebenfalls. Sie
geben dem Interpreten die Chance seine spieltechnischen
Möglichkeiten zu präsentieren und sich gleichwohl dem
typisch argentinischen Tanz zu widmen.
Schlussstein
Gilles Silvestrini (geb. 1961) gilt bei Insidern als absoluter
Oboen-Spezialist. Seine „Six études pour hautbois“ gehören
zu den ebenso wirkungsvollen wie gefürchteten Pflichtstücken
bei fast allen Wettbewerben für dieses so vielseitig
klingende Instrument: Rasente Zweiunddreißigstelnoten
markieren die harmonische Begleitung zu getragenen
Melodien, die in ruhigen Viertel- und Achtelnoten gleichzeitig
zu erklingen haben. Welch atemberaubendes Feuerwerk,
welch klangliche und technische Herausforderung, die
Yeon-Hee Kwak mit unbändiger Musikalität und Musizierlust
zu präsentieren weiß.