Zielgerade
Es ist der typische Wandel vom jungen Wilden zum reifen Mann, der auf der vorletzten Folge der sämtlichen Sinfonien von Dmitri Schostakowitsch bei MDG erlebbar ist: Im Alter von 23 Jahren huldigt der Komponist in der 3. Sinfonie noch dem 1. Mai als ein wichtiges Symbol der Revolution, 42 Jahre später scheint er sich in seiner letzten, der 15. Sinfonie, an seine unbeschwerte Jugendzeit erinnern zu wollen. Das glänzend disponierte Beethoven Orchester Bonn unter der Leitung von Roman Kofman präsentiert uns diesen Spannungsbogen mit Unterstützung des Tschechischen Philharmonischen Chors Brünn in gewohnt optimaler SACD-Qualität.

Mai-Feier
Der junge Schostakowitsch empfand die Oktoberrevolution als „Frühling der Menschheit“ und schloss sich mit dieser von der „Prawda“ formulierten Einschätzung vielen seiner Zeitgenossen an. Als er 1929 seine dritte Sinfonie komponierte und diese den Mai-Feiern widmete, spiegelt seine Musik pure Freude an der scheinbar sonnigen Zukunft des Kommunismus wider, die er damals empfand.

Marionetten-Theater
Nachdem die politische Realität den Komponisten mehrfach an den Rand der Verzweiflung gebracht hatte, beendet Schostakowitsch 1971 seinen Sinfoniezyklus mit einer „fröhlichen kleinen Sinfonie“ mit einigen autobiografischen Zügen. Das erste Allegretto nannte er selbst seinen „Spielzeugladen“ mit Blechbläserparodien und anderen Effekten. Weniger fröhlich geht es im zweiten Satz zu, der bereits Schostakowitschs Todesahnungen spüren lässt. Dann das kurze Scherzo mit fragmentarischer Zwölftonreihe und schließlich das Finale, das mit dem Schicksalsmotiv aus Wagners „Ring der Nibelungen“ beginnt und auch andere melodische Anspielungen aus der Musikwelt enthält.